KardesH-verlAg

maritimes aus flensburg

Anker am Hafen

Lyo. Segeln. Warum Segeln? Der Grossteil des Planeten ist bedeckt mit Wasser. Die höhere Wahrscheinlichkeit, niemanden treffen zu müssen, ist also auf dem Wasser gegeben

Lyo - KardesH-verlAgSommerliche Idylle an einer Vogelkrippe. Die schlauen Vögel halten sich immer etwas am Rande auf, picken ab und an ein Körnchen auf, um dann wieder verstärkt ihr Umfeld zu beobachten.  Die dummdreisten, fetten Vögel hocken mitten in der Vogelkrippe und sehen und achten nur auf eines, das Fressen in ihrem Schnabel.  Eine Katze schleicht heran. Der am Rande sitzende, vorsichtig beobachtende Vogel sieht die Katze heranschleichen und entschwindet mit einem leichten Flügelschlag grazil aus der Gefahrenzone. Der fette, dummdreiste Vogel blickt belämmert und mit vollem Schnabel auf. Er sieht nur kurz das Maul der Katze und darauf folgt Nacht.

Natürliche Selektion. Die Bedachten überleben. Doch bei uns ist das anders. Hier haben die unbedarften, fetten Vögel das Sagen. Verstand braucht es nicht in unseren abgesicherten Glaskästen. Es gibt zuviel Menschenmüll auf diesem Planeten, und jeden Tag wird er mehr. Warum ist das so?

Leseprobe

Ich sah kaum Schiffe. Von Zeit zu Zeit einen Fischer, der seine Reusen einbrachte. Sonst kaum etwas. So viele Jahre war ich hier nicht mehr gewesen. Ich hatte mich so gut darauf vorbereitet, immer wieder die Seekarten hervorgeholt, immer wieder die Kurse bei unterschiedlichsten Windrichtungen abgesteckt. Doch jetzt konnte ich alles klar erkennen. Die lange Vorbereitung und das ständige schlechte Gewissen, wenn ich mal eine Woche nicht in die Karten gesehen hatte, schien überflüssig gewesen zu sein. Manchmal hatte ich selbst nicht mehr daran geglaubt, hier entlang segeln zu können. 
Wenn die Verzweiflung überhand gewann und jeglicher Sinn wieder entschwunden schien. Ich glaubte, dass alle diese Orte nur in meiner Phantasie existent waren.

Sie waren verbunden mit einer anderen Zeit, die genauso wahnsinnig war. Es bildete den Gegenpol zum allgemeinen Wahnsinn. Beide Teile würden sich negieren und etwas Gutes entstehen lassen. Über all die Jahre sah ich diese Orte nur als Namen und Gebilde auf Karten, aber nun konnte ich feststellen, dass sie greifbare Orte waren. 
Sie zeichneten sich am Horizont klar ab. Sie waren real. Noch zwei Seemeilen bis hinein in die Marstaler Bucht. 
Ich wollte mir dort einen Ankerplatz suchen. Direkt hinter der Steilküste hätte ich eine gute Windabdeckung. 
Dort sollte ich eine ruhige Nacht verbringen können. Dicht hinter der Steilküste fing das Großsegel an zu flattern und hing dann nur noch träge in der abendlichen Flaute und Windabdeckung. Ich ließ das Segel herunter, band es zusammen und schmiss den kleinen Hilfsmotor an. 
Langsam tuckerte ich an der Küste entlang. Ich wollte etwas Ruhe und Schlaf. Ich war gar nicht allzu lange gefahren, aber trotzdem geschafft. Mir taten die Augen weh und der Nacken schmerzte vom ständigen nach vorne schauen.

Ich fuhr weiter die zerklüftete Steilküste entlang. Dann stellte ich den Motor ab und warf den Anker. Wie gestern hatte ich auch heute keinen großen Hunger, nur einen starken Kopfschmerz, weil ich zu wenig getrunken hatte. Ich ging in die Kabine, nahm mir eine Wasserflasche aus der Backskiste, stellte sie neben meine Koje und legte mich schlafen. 
Gegen vier Uhr morgens erwachte ich, weil das Rollen im Schiff immer stärker wurde. Der Wind hatte gedreht und nahm an Heftigkeit immer weiter zu. Verschlafen zwängte ich mich in meine Segelklamotten. 
Ständig stieß ich mit dem Kopf irgendwo an. Ich war schwer genervt und verfluchte alles um mich herum. Ich kletterte an Deck. 
Die Wellen rollten auf das kleine Boot zu und legten es mit jeder neuen Attacke schwer auf die Seite. Es war kalt. Viel Lust hatte ich nicht, aber ich machte den Motor startklar und ließ ihn an. Ich hielt mich an den Handläufen fest und ging nach vorne. Dort zog ich den 15- Kilo Anker hoch. 
Der Tag fing gut an.